Geschrieben auf 0auf42.de: Warum ich auf meine Teilnahme am NYC Marathon 2026 verzichte – eine persönliche und politische Entscheidung

Ich will ein Läufer sein. Ich mag das Gefühl, wenn der Asphalt unter meinen Füßen brennt, wenn der Körper schreit, aber der Wille siegt. Einer der größten Träume in meinem Leben war es, einmal beim New York City Marathon zu starten. Der Mythos. Die Straßen. Die Energie. Fünf Boroughs, ein Ziel. Doch heute sage ich klar und deutlich: Ich werde am NYC Marathon 2026 nicht teilnehmen. Nicht, weil ich verletzt bin, nicht weil ich keine Lust habe – sondern weil ich nicht mehr guten Gewissens in ein Land reisen kann, dessen politische Realität sich zunehmend von meinen Werten entfernt.

Amerika, du hast dich verändert – oder warst du immer schon so?

Ich weiß, viele werden jetzt sagen: „Scheiß drauf!“ Aber das geht nicht. Nicht mehr. Nicht in dieser Zeit, in der Politik alles ist – und vor allem alles durchdringt. Die Vereinigten Staaten von Amerika, einst das große Ideal von Freiheit und Demokratie, haben sich in den letzten Jahren in eine erschreckende Richtung bewegt. Und das ist nicht nur eine Gefühlssache – es ist Realität.

Die Präsidentschaftswahl 2024 hat nicht nur eine zutiefst gespaltene Nation offengelegt, sie hat auch ein politisches Klima geschaffen, das gefährlich und menschenverachtend ist. Die Rückkehr von Donald Trump ins Zentrum der Macht, begleitet von einem Kongress, der mittlerweile offen autoritäre Tendenzen zeigt, hat die USA zu einem Ort gemacht, der für viele Menschen schlicht nicht mehr sicher ist. Für Schwarze, für LGBTQ+, für Migrant:innen, für Frauen – und für jeden, der noch an Grundrechte glaubt.

Und ich? Ich will mich nicht in ein Land begeben, das Meinungsfreiheit mit Unterdrückung verwechselt, das Abtreibung kriminalisiert, während es gleichzeitig das Tragen von Sturmgewehren in Schulen verteidigt. Ich will mein Geld nicht in Hotels lassen, in denen FOX News auf Dauerschleife läuft und in denen das Reinigungspersonal illegalisiert wird. Nein, das ist nicht die Art von Lauf, die ich will. Und das ist nicht das Amerika, das ich mir erträumt hatte.

Läuferherz trifft Realität

Die Entscheidung, nicht zu laufen, ist mir nicht leicht gefallen. Ich habe trainiert. Ich habe Flugrouten geprüft, Hotels verglichen.

Immer mehr Berichte über Übergriffe auf queere Menschen. Immer neue Gesetze, die Bücher verbieten, in denen Kinder lernen könnten, dass es mehr gibt als Schwarz und Weiß. Gerichte, die sich auf Religion berufen, um Frauen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung zu nehmen. Polizeigewalt, die nicht aufhört – sondern institutionell gedeckt wird. Die ständige Angst in marginalisierten Communities, die mittlerweile Alltag ist.

Und dann der Moment, in dem ich mir selbst die Frage gestellt habe: Was bedeutet es eigentlich, dorthin zu reisen? Dortzu laufen? Es bedeutet, ein System zu unterstützen. Es bedeutet, mit meinem Geld und meiner Präsenz ein Land zu validieren, das dabei ist, demokratische Grundsätze abzubauen. Und es bedeutet, dass ich mit meinem Schweigen einverstanden bin. Das bin ich aber nicht.

Der Marathon ist politisch – ob du willst oder nicht

Sport war noch nie unpolitisch. Wer das behauptet, hat entweder nicht aufgepasst oder will es nicht sehen. Der NYC Marathon ist eines der größten Events der Welt. Er steht für Diversität, Inklusion, globale Solidarität. Oder zumindest hat er das mal getan. Heute steht er auch für eine heile Fassade in einem kranken Land. Für Selfies mit Polizeibeamten, während ein paar Blocks weiter Schwarze Menschen ohne Prozess in Zellen verrotten. Für PR-Kampagnen, während trans Personen das Recht auf medizinische Versorgung genommen wird.

Ich will nicht Teil dieser Show sein. Ich will nicht jubelnd durch die Straßen laufen, während das System hinter den Kulissen implodiert. Ich will nicht klatschen, während andere schweigen – oder schlimmer: aktiv mitmachen.

Aber was bringt das alles?

Manche werden fragen: „Was bringt dein Boykott? Du bist doch nur eine einzelne Person.“ Ja, das stimmt. Aber ich bin nicht allein. Und ich glaube fest daran, dass Veränderung auch von Einzelnen ausgehen kann. Wenn genug Menschen sagen: „So nicht. Nicht mit mir.“ – dann hat das Gewicht. Dann wird ein Riss sichtbar. Dann wird der Lack angekratzt.

Ich schreibe diesen Text nicht, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich schreibe ihn, weil ich Klarheit will. Für mich. Für andere. Weil ich mich nicht verstecken will hinter Ausreden wie „Ich bin doch nur zum Laufen da“. Denn genau das ist das Problem: Diese Bequemlichkeit. Diese Passivität. Dieses „Ich will’s gar nicht so genau wissen.“

Ich weiß es. Und jetzt handle ich.

Es gibt andere Wege

Ich werde weiterlaufen. In Berlin. In Athen. In Kapstadt oder Tokio. In Städten, die ihre Schatten haben, ja – aber auch ihre Hoffnung. Ich werde laufen für Menschenrechte. Für Freiheit. Für Würde. Ich werde Teil von Events sein, die sich nicht nur Diversity auf die Fahnen schreiben, sondern sie leben.

Und vielleicht – vielleicht – laufe ich eines Tages wieder in New York. Wenn sich das Land verändert. Wenn es zurückfindet zu dem, was es vorgibt zu sein: ein Ort der Freiheit. Bis dahin bleibe ich weg. Nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung.

Schlusswort: Nicht mein Amerika

Ich sage nicht, dass jeder so handeln muss wie ich. Aber ich sage, dass es an der Zeit ist, Entscheidungen zu treffen. Bewusst. Politisch. Konsequent. Der NYC Marathon 2026 wird ohne mich stattfinden. Und das ist okay. Für mich. Für mein Gewissen. Für meine Haltung.

Denn Laufen ist nicht alles. Aber Haltung – die ist es.

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